5. Lebensabschnitte

Wie schon erwähnt, hat die Einteilung des menschlichen Lebenslaufs in verschiedene Phasen oder Stufen eine lange Tradition, die bis in weit in die Antike zurückreichen. So markierte Solon, der Gesetzgeber Athens, um etwa 600 vor Christus Phasenwechsel in Abständen von jeweils sieben Jahren: Abwenden von der Kindheit, Erwartung der Männlichkeit, körperliche Reifung, dann Reifestadium, anschließend Werbung und Heirat als Lebensmitte, schließlich Gipfel von Tugend und Tätigkeit, gefolgt von physischem und mentalem Verfall, der mit ca. siebzig Jahren mit dem Tod endet.

Der Talmud (die um das Jahr 500 christlicher Zeitrechnung abgeschlossene Sammlung der damals schon tausendjährigen jüdischen Überlieferung) ordnet das Leben im Erwachsenenalter in Dekaden: Studium der Bibel mit fünf Jahren, der Lebensordnungen (Mischna) mit zehn und - nach der Religionsmündigkeit mit dreizehn - der Mischna-Auslegung (Gemara) mit fünfzehn; Heirat mit achtzehn, mit zwanzig Brotberuf; dann in Zehn-Jahres-Schritten Höhepunkt der physischen Kraft, Erwerb von Einsicht, der Fähigkeit, anderen zu raten, und - mit sechzig -Beginn des Alters; mit siebzig wird das Haar ehrfurchtgebietend weiß, die Achtzig erreicht man mit besonderer Stärke, ist mit neunzig Jahren gebeugt und mit hundert so gut wie tot.

Die Römer ließen den Entwicklungsschritten pueritia (Kindheit), adolescentia (Heranwachsen) und juventus (Jugend) zur virilitas (Männlichkeit des Erwachsenen) nurmehr einen begrifflich gefassten Abschnitt folgen: senectus (das Alter).

William Shakespeare hingegen schloss (in "Wie es euch gefällt"), das klassische Thema travestierend, den Weg von der Wiege bis zur Bahre zum Kreis: vom greinenden Kind über den Schulbuben mit "glattem Morgenantlitz" und den Verliebten, "der wie ein Ofen seufzt", den Soldaten, "bis in die Mündung der Kanone suchend die Seifenblase Ruhm", den Richter, "mit Kapaun gestopft, voll weiser Sprüche und Allerweltssentenzen", und das tragikomische Alter der "verschrumpften Lenden" zum letzten Akt - "zweite Kindheit, gänzliches Vergessen, ohne Aug, ohne Zahn, Geschmack und alles".

Solche gesellschaftlich tradierten Vorstellungen sind ein klarer Hinweis darauf, dass der Lebenslauf eine Art natürliche soziale Kategorie für das Verständnis der Ontogenese und der menschlichen Existenz darstellt. Wie an den Beispielen, die alle in etwa auch das bereits bekannte Bild der Lebenstreppe beinhalten, war es schon immer ein Anliegen, den Lebenslauf zu ordnen, dem Leben eine zeitliche Struktur zu geben.

Den Abschnitten dieses Kurses wird die für die Entwicklungspsychologie bewährte Aufteilung des Erwachsenenalters in drei Abschnitte zu Grunde gelegt:

Das frühe Erwachsenenalter Das mittlere Erwachsenenalter Das späte / höhere Erwachsenenalter