Eine Predigt ist kein einfacher, starrer Text, sondern eine komplexe Textproduktion innerhalb einer "Zeichensprache" (Theißen), in der man sich mit einem Bibeltext auseinandersetzt und oft Gedanken, unter Berücksichtigung der Hörenden, zu z.B. einem Gedicht, einer Geschichte etc. einfließen lässt. Als "offener Text" lädt die Predigt (und auch die in ihr behandelte Bibelstelle) durch ihre Sinnfülle die Hörenden ein, sie zu interpretieren.
"Predigt ist Auslegung eines biblischen Textes" - dieser Satz wird auch als Definition für die Exegese benutzt. Wie verhalten sich aber nun Predigt und Bibeltext zueinander? Klaas Huizing sieht die Predigt als Station des "Inkarnationsdramas" in einem Akt öffentlicher Rede. Henning Luther beschreibt die Predigt als die Inszenierung eines Textes angepasst an unsere heutige Zeit (Prediger überträgt Text in eine Szene). Dass Gerd Theißen sie mit einem (alt gewordenen) Paar vergleicht, hat mich zum schmunzeln gebracht.
Festhalten lässt sich auf jeden Fall, dass Predigten zur Deutung einladen. Sowohl biblischer Text als auch der Predigende selbst sind aktive Subjekte und führen mit Aktualitätsbezug auf unsere Gegenwart gleichsam ein Gespräch.